Ökozid – eines der schwersten Verbrechen unserer Zeit

KYMA Ökozid – eines der schwersten Verbrechen unserer Zeit

«Alles Land, die Fruchtbarkeit des Bodens, auch die Ressourcen des Waldes und des Wassers, die Flora und Fauna sind völlig zerstört und manches ist unwiederbringlich verloren». Dies teilte die ukrainische Umweltorganisation Razom We Stand nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms mit.

Die Ukraine ist einer von unzähligen aktuellen Schauplätzen eines Verbrechens an der Umwelt, eines sogenannten Ökozids. Wer mit eigenen Augen ein durch industrielle Fischerei zerstörtes Korallenriff in Westafrika oder einen kahlgeschlagenen leblosen Urwald in Indonesien oder Kanada gesehen hat, den lassen diese Bilder nie mehr los. Wir erleben heute weltweit das grösste Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier. Immer wenn wir abends zu Bett gehen, ist die Erde um bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten ärmer geworden.

In den vergangenen vier Jahrzehnten ist die Zahl der Säugetiere, Vögel, Fische und Reptilien um 60 Prozent gesunken. Das betrifft auch die Schweiz: Gemäss dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) stehen bei uns 47% der Tier- und Pflanzenarten auf der Roten Liste der bedrohten Arten, bei den Fischen sind es sogar 65%. Erinnern Sie sich noch, als die Windschutzscheibe an Ihrem Auto mit Insekten verklebt war? Heute sieht man das kaum mehr. Dass Insekten eine wichtige Grundlage der Nahrungskette und der Bestäubung von Lebensmitteln darstellen, wird gerne ignoriert.

Ursache des katastrophalen und rasenden Artenrückgangs sind die jahrzehntelangen menschlichen industriellen, landwirtschaftlichen und militärischen Aktivitäten: Dazu gehören die Verbrennung fossiler Brenn- und Treibstoffe, die Abholzung, die Überfischung, der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide und langlebiger Chemikalien, die Verknappung und Zerstörung von Lebensraum. Natürlich gab und gibt es auch positive Entwicklungen. Das Verbot des kommerziellen Walfangs in den 1980er-Jahren zum Beispiel. Doch auch dieser Erfolg steht durch die ungelöste Klimakrise bzw. die dadurch verursachte zunehmende Versauerung der Ozeane, die Verschmutzung und die Überfischung auf wackligen Beinen.

Wann wird Ökozid einklagbar?

Leider reichen die bislang geltenden Umweltschutzgesetze und Strafen nicht aus, um Ökozid effektiv aufzuhalten. Allzu oft wird dieser als Kollateralschaden einfach in Kauf genommen. Doch was ist mit «Ökozid» genau gemeint? Der Begriff bezeichnet die vorsätzliche und grossflächige Zerstörung von Natur (Ökosystemen). Die Schweizer Meeresschutzorganisation KYMA sea conservation & research lanciert mit einer Ökozid-Kampagne und -Petition (https://kyma-sea.org/stopp-oekozid/) einen wichtigen gesellschaftlichen Diskurs, der an Aktualität in den nächsten Jahren sicherlich noch zunehmen wird. Es stellen sich Fragen: Warum wird niemand für die massive Zerstörung der natürlichen Lebenswelt, dem Zuhause von uns allen, zur Verantwortung gezogen? Wann wird Ökozid am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) als fünftes internationales Verbrechen gelistet und verfolgt?

In der Schweiz tut sich bislang wenig

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Regierungen mit gutem Beispiel vorangehen und ein System der Sorgfalt etablieren. Die EU hat sich im November 23 dafür ausgesprochen, schwere Umweltzerstörung «vergleichbar mit Ökozid» künftig zu sanktionieren. Während die Aufnahme von Ökozid in die nationale Gesetzgebung in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt diskutiert wird oder bereits erfolgt ist, ist das Thema in der Schweiz bislang nicht auf der politischen Agenda. Als einer der 123 Mitgliedstaaten des Römer Status, welches die rechtliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs bildet, hat die Schweiz ein Mitspracherecht und sollte dieses im Sinne des Schutzes der internationalen Gemeinschaft vor Ökozid nutzen und das von verschiedenen Ländern getragene Vorhaben unterstützen. KYMA fordert vom Bundesrat und dem Parlament, sich für die Aufnahme von Ökozid als fünftes internationales Verbrechen in das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) einzusetzen und Ökozid als Verbrechen in der nationalen Gesetzgebung der Schweiz zu verankern.

Ein Text von Yves Zenger und Silvia Frey von KYMA sea conservation & research.


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